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6 Zutaten für erholsame(re) Pausen und Auszeiten

Pausen sind ein natürliches Grund-Bedürfnis, das evolutionär in uns angelegt ist. Im Anschluss an eine anstrengende Phase (Stress) benötigen wir körperliche und/oder geistige Erholung. Auf Dauer können und sollten wir dieses Bedürfnis nicht unterdrücken – auch nicht durch noch mehr Kaffee oder andere Wachmacher.

 

Denn langfristig leistungsfähig und vor allem gesund bleiben wir nur dann, wenn wir uns immer wieder Zeit für Regeneration und Erholung schenken. Doch was zeichnet eine "richtige" bzw. nachhaltige Pausen- und Erholungsstrategie aus? Gibt es eine Art "Erfolgsrezept"?

 

Zwei Dinge vorweg: Solltest du unter akuten bzw. länger anhaltenden Erschöpfungszuständen leiden, lass dich am besten ärztlich untersuchen und beraten - auch um behandlungsbedürftige Ursachen auszuschließen. Zudem ist jeder Mensch individuell, weshalb es nicht DIE eine richtige Pausen- und Erholungsstrategie gibt. Dennoch finde ich das sogenannte DRAMMA-Modell der Regenerationsforscher Newman, Tay und Diener interessant. Sie haben in einer Metastudie insgesamt sechs Aspekte - oder auch "Zutaten" für eine gute Erholung definiert, die jede*r für die eigene, individuelle Pausen- und Erholungsstrategie berücksichtigen kann.

 

Lass uns diese sechs Zutaten der Reihe nach beleuchten und wichtige Reflexionsfragen sammeln:

 

1. Detachment (D) = Sich gedanklich von der Arbeit lösen 


Damit ist vor allem die mentale Regeneration und das "sich Lösen" von den Herausforderungen des (Arbeits-)Alltags gemeint. Also beispielsweise auf das Checken der Mails nach Feierabend oder im Urlaub zu verzichten. Und auch bewusst aus dem Gedankenkarussell auszusteigen, z.B. mithilfe von Achtsamkeitsübungen wie dem Bodyscan oder einer Atemmeditation. Glaubt man einer Langzeitstudie unter deutschen Beschäftigten, ist der Aspekt "Detachment" besonders wichtig für die Spannungs- und Stressreduktion. Frage dich: Was kann ich (gedanklich) lassen? Und was kann ich tun, um mentalen Ballast abzuwerfen und mehr im Hier und Jetzt zu sein?


2. Relaxation (R) = Entspannung gezielt herbeiführen

 

Bei dieser Zutat steht die körperliche Regeneration im Vordergrund. Ausreichend Schlaf ist beispielsweise eine wichtige Komponente - aber längst nicht alles. Denn ein physisches Auftanken ist nicht zwangsläufig mit Nichtstun gleichzusetzen. Manche Menschen entspannen in der Badewanne oder beim Fernsehen auf der Couch, andere beim Kochen oder durch körperliche Nähe und wiederum andere bei leichten Aktivitäten, wie Fahrradfahren, Schwimmen oder Yoga. Frage dich: Wobei entspanne ich mich am meisten - was tut meinem Körper gut?


3. Autonomy (A) = Kontrolle über die Pausengestaltung

 

Nun geht es um den Einfluss auf deine eigene Pausengestaltung. Laut Selbstbestimmungstheorie gibt es empirisch abgesichert drei permanente und kulturübergreifende psychologische Grundbedürfnisse, deren Befriedigung für effektives Verhalten und psychische Gesundheit von Bedeutung ist. Und dazu zählt die Autonomie. Je freier wir darüber bestimmen können, wann und wie wir uns eine Pause bzw. Erholungsphase gönnen, desto erholsamer empfinden wir sie. Nicht immer sind wir jedoch so flexibel, wie wir gerne wären, beispielsweise wenn der Zeitraum unserer Pausen- und/oder Urlaubszeiten aus betrieblichen oder familiären Gründen festgelegt sind. Und trotzdem haben wir auch (unbewusste) Gestaltungsmöglichkeiten. So kannst du dich z.B. entscheiden, nicht jeden Tag mit deinem Team in die Kantine zu gehen, sondern zumindest einmal wöchentlich in der Mittagspause alleine zu spazieren oder dich mit anderen Menschen zum Essen zu verabreden. Oder du könntest dir auch als Familienmama oder -papa nach Absprache einmal monatlich einen "Me-Time-Tag" einrichten und dann einfach für dich frei entscheiden, wonach dir der Sinn steht. Frage dich: Wie kann ich (mehr) Einfluss auf meine Pausen- und Erholungszeiten nehmen und sie so gestalten, dass sie mir und meinen Bedürfnissen entsprechen?  


4. Mastery (M) = Etwas dazulernen und Können aufbauen

 

Diese Zutat knüpft an die Flow-Theorie des Glücks-Forschers Mihály Csíkszentmihályi an. Es geht um Aktivitäten, die uns genau im richtigen Maße fordern und intrinsisch motivieren. Das wiederum steigert unser Wohlbefinden. Einen Flow-Zustand können wir beispielsweise beim Erlernen eines neuen Musikinstrumentes, einer anderen Sprache oder besonderen Kreativtechnik erleben. Zwar braucht es zunächst etwas Zeit, Übung und Konzentration. Aber wenn wir letztlich in dieser Tätigkeit aufgehen, können wir erleben wie es ist im gegenwärtigen Moment aufzugehen: beim Spielen des Klavierstückes, beim Spanischsprechen im Urlaub, beim Gestalten von Karten in Handlettering-Schönschrift. Natürlich hat die Komponente "Mastery" nicht die oberste Priorität für die kurze Kaffeepause. Behalte diesen Aspekt trotzdem mittel- bis langfristig im Blick und frage dich: Wie können meine Erholungs- und Auszeiten dazu beitragen, etwas Neues zu lernen und meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln?


5. Meaningfulness (M) = Die Tätigkeit als bedeutsam empfinden

 

Ein für die Erholung und das persönliche Wohlbefinden besonders wichtiger Aspekt ist die Sinnhaftigkeit der eigenen Pausen- und Freizeitaktivitäten. Ebenso wie sein Vorgänger ist auch dieser Aspekt des DRAMMA-Modells weniger für die kurzfristige Pausengestaltung gedacht. Ein Gefühl von innerer Ruhe und Zufriedenheit verschaffen uns jedoch vor allem Tätigkeiten, die unserem Leben einen Sinn und Zweck verleihen. Das kann beispielsweise ein Ehrenamt im Sportverein sein, ein politisches Engagement, die Betreuung von Kinder- und Jugendfreizeiten, Gassigehen mit Tierheim-Hunden, Müllsammeln oder das Retten und Verteilen von Lebensmitteln (Foodsharing). Frage dich: Was ist der Zweck meiner Existenz? Was möchte ich in meinem Umfeld und/oder in der Welt bewirken?


6. Affiliation (A) = Sich sozial eingebunden fühlen

 

Als soziale Wesen brauchen wir Menschen zudem das Gefühl, einer Gruppe zugehörig und mit anderen Menschen verbunden zu sein. Unternehmungen mit Familie, Freund*innen und Kolleg*innen zahlen beispielsweise auf diese sechste und letzte Zutat ein. Wenn wir dann auch noch Momente des gemeinsamen Lachens, der Leichtigkeit und des Vertrauens erleben, können wir unsere Akkus wieder richtig auftanken. In der Verbindung mit anderen Menschen solltest du auch immer wieder prüfen, ob sich unter deinen sozialen Kontakten mehr "Energiespender" als "Energieräuber" befinden bzw. letztere zunehmen meiden. Gerade bei kürzeren Erholungspausen kannst du für dich immer wieder prüfen, ob dir der Sinn gerade nach Kontakt mit anderen Menschen steht oder ob du lieber alleine für dich sein möchtest. Und grundsätzlich frage dich: "Wie kannst du dich als zugehörig und mit anderen (Gleichgesinnten) verbunden fühlen?" 

 

Ein paar Schlussworte zur Umsetzung im Alltag und insbesondere an alle Perfektionist*innen

 

Bevor du dich jetzt dadurch stresst, möglichst alle "Zutaten" in deine (Mittags-)Pause zu packen: Das ist nicht das Ziel. Entscheidender sind diese Grundsätze zur Orientierung: 

  • (Kurze) Alltagspausen: Hier solltest du insbesondere darauf achten, dass die "Zutaten" 1-3 auftauchen (Detachment, Relaxation und Autonomy) enthalten sind. Wenn es dir gelingt, deine Pause möglichst so zu gestalten, dass du sie möglichst selbstbestimmt nehmen und dabei mental abschalten und dich körperlich entspannen kannst, ist das schon mal viel wert!
  • Generelle Freizeitgestaltung und Auszeiten: Hier kommen die "M&M"-Zutaten (Mastery und Meaning) ins Spiel. Was verleiht deinem Leben Bedeutung? Was ist eine spielerische Herausforderung, gibt Raum zur persönlichen Weiterentwicklung und lässt dich "Flow-Momente" erleben?
  • Übergreifend und doch auch Individuell ist die Verbundenheit zu deinen Mitmenschen. Die einen lieben es, (Aus-)Zeit mit sich selbst zu verbringen, andere sind eher "Herdentiere" und oft macht es auch die Mischung. Bleib einfach gut mit dir und deinen Bedürfnissen in Kontakt, trau dich auch mal "Nein" sagen - insbesondere zu "Energieräubern".

Ich wünsche dir ein gutes Auftanken im April und überhaupt im Alltag - mit kleineren Pausen, größeren Erholungsphasen oder vielleicht auch längeren Auszeiten. 

 

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