Hunger ist nicht gleich Hunger. Oft greifen wir unbewusst zu Lebensmitteln, ohne zu wissen, welche Art von Hunger wir eigentlich stillen wollen. Ich kenne das in stressigen Zeiten insbesondere in Bezug auf Süßkram.
Marshall Rosenberg ist für mich nicht nur ein Vorreiter in Bezug auf die achtsame Kommunikation mit anderen. Sein Ansatz, bewusst mit den eigenen Bedürfnissen umzugehen, inspiriert auch die eigenen "Essengelüste" genauer unter die Lupe zu nehmen. So kannst du durch die verschiedenen Arten von Hunger deine dahinter liegenden Bedürfnisse erkennen und bewusst auf sie zu reagieren. Denn nicht immer hat der Körper wirklich Hunger auf Essen. Erfahre in diesem Blogbeitrag mehr über die 7 Arten von Hunger vor, wie sie sich äußern und wie du ihnen achtsam begegnen kannst.
1. Augenhunger
Stell dir vor, du sitzt vor dem Fernseher und siehst die Werbung einer super leckeren, neuen Eiscreme. Oder du läufst an einem Café vorbei und siehst einen perfekt angerichteten Kuchen oder einen bunten Obstnachtisch – mhmmmm, lecker! Gut möglich, dass dir direkt das Wasser im Mund zusammenläuft, obwohl du vielleicht gar nicht wirklich Hunger hast. Dies ist der sogenannte Augenhunger: Unser Verlangen, das durch das Sehen von appetitlichen Dingen geweckt wird.
Wie kannst du ihn stillen?
Ein schön angerichteter Teller kann diesen Hunger befriedigen. Richtig angerichtetes Essen, mit bunten Farben und Texturen, kann deinen Augen ebenso Freude bereiten wie der Verzehr selbst. Probier es mal aus, dein Essen liebevoll anzurichten, bevor du es isst. Wähle zum Beispiel Zutaten in unterschiedlichen Farben (z.B. Obst) oder garniere mit frischen Kräutern oder Soßen. Manchmal reicht das reine Betrachten eines optisch ansprechenden Gerichts, um Augenhunger zu stillen.
2. Nasenhunger
Du betrittst kommst in eine Bäckerei, und der Duft von frisch gebackenem Brot (oder hier in meiner Heimat natürlich auch ofenfrische Brezeln) steigt dir in die Nase. Plötzlich hast du das Gefühl, du musst etwas essen. Das ist Nasenhunger. Unsere Nase ist ein mächtiges Sinnesorgan, das unbewusst unseren Appetit anregen kann, selbst wenn unser Magen nicht nach Nahrung verlangt.
Wie kannst du ihn stillen?
Rieche bewusst an deinem Essen, bevor du es isst. Achte darauf, wie die verschiedenen Aromen auf dich wirken. Manchmal kann schon der Duft einer warmen Mahlzeit deinen Nasenhunger befriedigen, ohne dass du mehr isst als nötig. Alternativ kannst du auch einfach nur ein kleines Stück des duftenden Gebäcks genießen – bewusst und achtsam. Oder du versucht es mit Duftölen oder Gewürzen, an denen du schnupperst und dann beobachtest, ob das Hungergefühl vielleicht anschließend auch wieder verfliegt.
3. Mundhunger
Der Name sagt es schon: Der Mundhunger entsteht, wenn unser Mund nach einer bestimmten Textur, Geschmack oder Konsistenz verlangt. Lust auf Knuspriges, Süßes oder etwas zum Kauen? Das ist Mundhunger! Hier geht es nicht um Nährstoffe, sondern darum, das Bedürfnis nach einer bestimmten sensorischen Erfahrung im Mund zu befriedigen.
Wie kannst du ihn stillen?
Statt automatisch zu Snacks zu greifen, achte auf die Textur deines Essens. Frisches Gemüse wie Karotten oder knackige Nüsse können diesen Hunger stillen. Wenn du etwas Süßes willst, dann nimm einen Löffel Honig oder einen kleinen Keks. Lass dein Naschobjekt dann bewusst langsam - quasi auf der Zunge zergehen. Das kann schon den Mundhunger befriedigen, ohne dass du in unkontrolliertes Naschen verfällst.
4. Magenhunger
Der klassische Magenhunger ist das, was wir traditionell als Hunger bezeichnen. Dein Magen gibt auch klare Signale: Er knurrt, du fühlst dich leer und hast wenig Energie – dein Körper zeigt dir eindeutig, dass er Nährstoffe und Energie braucht. Das ist echter physischer Hunger.
Wie kannst du ihn stillen?
Hier ist es einfach: Iss eine ausgewogene Mahlzeit! Fokussiere dich auf nährstoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Gemüse, Proteine und gesunde Fette. Achte darauf, deinen Magenhunger nicht zu lange zu ignorieren, um späteres Überessen zu vermeiden. Achte aber auch darauf, ihn nicht mit den anderen Arten von Hunger zu verwechseln – dein Magen meldet sich nur, wenn dein Körper wirklich Nahrung braucht.
5. Herzhunger
Herzhunger ist der Hunger nach emotionaler Zuwendung, Trost oder Geborgenheit. Wenn wir uns gestresst, traurig oder einsam fühlen, greifen wir oft zu Comfort-Food wie Schoki, Eis, Chips oder Pizza. Doch meist ist es nicht unser Körper, der nach Nahrung verlangt, sondern unser Herz nach emotionalem Ausgleich.
Wie kannst du ihn stillen?
Dieser Hunger ist tricky, weil er uns oft zu übermäßigem Essen verleitet. Besser als der Griff zum Essen ist es, sich emotional zu versorgen: Telefoniere mit einem lieben Menschen, nimm dir Zeit für Selbstfürsorge oder mach einen Spaziergang in der Natur. Gönne dir dabei ruhig eine Kleinigkeit wie einen warmen Tee oder eine heiße Schokolade, aber achte darauf, dass du dein emotionales Bedürfnis zuerst erkennst und anders darauf reagierst.
6. Kopfhunger
Der Kopfhunger entsteht durch Gedanken und Überzeugungen rund ums Essen. Das kann der Satz "Ich sollte jetzt etwas essen, weil es Mittag ist" oder "Ich muss meinen Teller auf jeden Fall leer essen - andere Menschen hungern" sein. Kopfhunger basiert oft auf Regeln und Gewohnheiten, die wir im Laufe unseres Lebens verinnerlicht haben, ohne dass unser Körper tatsächlich Nahrung braucht.
Wie kannst du ihn stillen?
Hinterfrage deine Essensregeln und Routinen. Achte darauf, ob du wirklich Hunger hast oder nur aus Gewohnheit isst. Du kannst versuchen, das Gefühl der Sättigung bewusster wahrzunehmen, indem du z.B. weniger auf deinen Teller packst oder dich zwischendrin fragst: "Brauche ich das wirklich (noch)?" Eine kleine Pause kann oft helfen, den Kopfhunger zu entlarven.
7. Zellhunger
Der Zellhunger ist vielleicht der subtilste von allen – er entsteht, wenn deinem Körper bestimmte Nährstoffe fehlen. Vielleicht hast du Gelüste auf Obst, weil dir Vitamine fehlen, oder auf ein Steak, weil dein Körper Eisen braucht. Zellhunger signalisiert uns, dass unser Körper auf einer tieferen, nährstoffbasierten Ebene etwas Bestimmtes benötigt.
Wie kannst du ihn stillen?
Höre auf deinen Körper und lerne, Gelüste zu deuten. Wenn du dich zuckerhungrig fühlst, könnte dein Körper in Wahrheit nach schneller Energie schreien – vielleicht hilft hier eine Handvoll Nüsse oder eine Banane. Wenn du ständig Lust auf Salziges hast, fehlt deinem Körper möglicherweise Salz oder Mineralstoffe. Ernähre dich möglichst ausgewogen und abwechslungsreich, um deinen Zellhunger proaktiv zu stillen.
Die 7 Arten des Hungers zeigen, dass Essen oft mehr mit unseren Sinnen, Gefühlen und Bedürfnissen zu tun hat, als mit dem reinen Bedarf an Nährstoffen. Wenn du lernst, die verschiedenen Hungerarten zu erkennen und bewusst auf sie zu reagieren, kannst du ein gesünderes und achtsameres Verhältnis zu deinem Essen entwickeln. Statt unbewusst in Snacks zu verfallen, kannst du deine Bedürfnisse klarer identifizieren und gezielt stillen – sei es durch eine Mahlzeit, einen schönen Anblick, einen wohltuenden Duft oder durch emotionale Zuwendung.
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Bastian (Dienstag, 29 Oktober 2024 18:09)
Ich habe momentan mit allen außer dem zellhunger zu kämpfen. ;)
Guter Beitrag, das man bewuster auf sich und seinen Hunger achtsam sein sollte!
Thx für das auffrischen.
Thea (Dienstag, 29 Oktober 2024 18:18)
Sehr gut und wichtig, liebe Aline.
Da gibt's sogar noch mehr, z.B. intellektuellen und spirituellen Hunger. Ebenso mit Durstgefühl... Herzliche Grüße!